Vom „Schloß“ zur „Pesta“ heute

(Die Bau-Geschichte der Pestalozzischule 1906 - 2013)

LAGE und ENTSTEHUNGSGRÜNDE (1906)

Als die „Pesta“ im Jahr 1906 eingeweiht wurde, stand sie - wie alte Bilder zeigen - inmitten von Feldern und jeder Betrachter fragt sich: Wie kommt eine Schule gerade dorthin? Zum einen stieg in Fürth zum Ende des 19.Jahrhunderts durch die zunehmende Industrialisierung die Bevölkerungszahl sehr stark an. Auf Grund der damit verbundenen Zunahme an Schülern mussten einige neue Schulen geplant und gebaut werden, darunter auch die Pestalozzischule, diese in der östlichen Entwicklungsrichtung der Stadt. Eine neue Schule an der Grenze zwischen den Gemeinden Ronhof / Poppenreuth und der Stadt Fürth sollte auch den Landgemeinden die Eingemeindung nach Fürth schmackhafter machen. Nach Aufstellung eines umfangreichen Bauprogramms im Jahre 1904 wurde im Juli 1905 mit dem Bau der Schule begonnen. Bereits im folgenden Jahr wurde das Gebäude eingeweiht; am 1. September 1906 konnte der Schulbetrieb aufgenommen werden. Die Lage der Schule, zwischen dem alten Ludwigskanal und den Pegnitzwiesen war für eine Stadtschule nahezu idyllisch.

 

Die Pestalozzischule

Selbst auf diesem Luftbild ans den 50-iger Jahren ist die exponierte Lage der Schule noch recht gut zu erkennen. Wie wird sie da wohl zu Beginn des Jahrhunderts gewirkt haben. Nur langsam und spärlich wurde die Umgebung besiedelt. Dort, wo heute die Häuser an der Flurstraße stehen, blühten im Frühjahr Äpfel-, Birn- und Pfirsichbäume in gepflegten Kleingärten. An der Ecke Pestalozzi- und Flurstraße wogte ein Getreidefeld. Auf dem nahen Kanal zogen „Schlagrahmdampfer“ nach Kronach. Der ehemalige Kanalhafen war im Sommer ein ideales Bad mit temperiertem Wasser, im Winter ein Eislaufplatz.

 

Stadtplan von 1906                                                            So sieht der Stadtplan heute aus

 

BAUKONZEPT und PÄDAGOGIK

Die Planung und Bauleitung der Pestalozzischule lagen in den Händen des Fürther Stadtbaurates Otto Holzer, der erfreulicherweise den Ehrgeiz hatte, ein Musterschulhaus zu errichten. Beim Bau des im Stil des Historismus mit Jugendstilelementen gehaltenen Schulhauses wurde die bis heute eindrucksvolle Sandstein-Putz-Bauweise verwendet.Die Kosten für Bau und Inneneinrichtung betrugen (ohne Baugrund) rund 360.000 Reichsmark, am Anfang des 20. Jahrhunderts eine stolze Summe. Der ganze Schulkomplex wurde für 32 Klassen projektiert, ein für die damalige Zeit immenses Vorhaben. Letztendlich konnte allerdings nur der erste Bauabschnitt, den wir heute als „Altbau“ bezeichnen,verwirklicht werden, da 1. und schnell folgender 2. Weltkrieg die ursprünglichen Planungen außer Kraft setzten.

 

 

1. Bauabschnitt 1906

Der geplante 2. Bauabschnitt wurde nie umgesetzt

 

Dem Namen Pestalozzis entsprechend, sollte die Schule für die Kinder ein liebes, freundliches, einladendes und schönes Heim werden. Stadtbaurat Otto Holzer hat seine eigenen Ausführungen über die Pestalozzischule in dem Buch „Die Stadt Fürth in Bayern „ herausgegeben. So schreibt er: „Jeder Schulraum ist auf einen Ton abgestimmt, Bilderschmuck und ornamentale Aufmalungen sollen den Kindern das Haus heimisch machen. Gar nichts Nüchternes, wie es in den älteren Schulhäusern einem mitunter noch entgegentritt, ist zu bemerken. Hier soll das Kind empfänglich werden für Stimmung, geistige Sammlung und Freude am Lernen. Aber auch für das körperliche Wohl der heranwachsenden Jugend ist gesorgt. Im ersten Obergeschoss betreut der Schularzt wöchentlich einmal in einem mit modernsten Mitteln ausgestatteten Arztzimmer die Kinder. Im Kellergeschoss befinden sich Schul-Brausebäder, in denen sich 54 Kinder gleichzeitig baden können, außerdem sogar noch zwei große Wasserbassins, besondere Badekabinen, Waschküche, Wäschetrockenplatz, Kesselanlagen... Bei der Hausmeisterwohnung im Erdgeschoss sind Einrichtungen zum Milchtrinken während der großen Pause getroffen. In Ruhe, umgeben von Grün, liegt das Schulhaus da... Schüler und Lehrer lieben das Haus. Mit Stolz nennen es die Kinder: ‚Ihr Schloß ‚.“ Derartig gestaltet, galt die Pestalozzischule im Jahre 1906 als das modernste Schulhaus im weiten Umkreis.

 

Erste Jahre und Kriegszeiten

Nach Kriegsbeginn 1939 wurde die „Pesta“ zum Lazarett umfunktioniert, daher wurden die Schulklassen ausgelagert (zum Kirchenplatz, an die Maischule und im Winter 1945 auch an das frühere Waisenhaus, das heutige Kinderheim St. Michael an der Poppenreuther Straße).

 

Die Pestalozzischule in den 40ern

Die Pestalozzischule in den 40ern Im letzten Kriegsjahr, berichtet die erste erhaltene Chronik, sei das Schulhaus noch Kaserne für verbündete ungarische Soldaten gewesen. Nach Kriegsende zogen US-Soldaten in das Haus ein. Durch die Fremdnutzung war die Schule nach 1945 völlig verwahrlost.

SCHULISCHER WIEDERBEGINN und WEITERENTWICKLUNG

Um das Schulgebäude für seinen eigentlichen Zweck wieder zugänglich zu machen, legten die wenigen verbliebenen Lehrkräfte in vielen Wochen selbst Hand an. 

 

 

RAUMNOT und erster ERWEITERUNGSBAU (Ostflügel ab 1966)

Seit 1945 herrschte im Schulhaus an der Pestalozzistraße große Raumnot. Zeitweise waren 21 Klassen in 14 Klassenzimmern untergebracht. Nach vielen Eingaben, Gesuchen und Vorstellungen bei der Stadtschulbehörde und der Stadtverwaltung wurde endlich 1962 das Hochbauamt beauftragt, einen Plan für einen Erweiterungsbau zu erstellen. War zuerst an einen Anbau an das Gebäude von 1906 gedacht, entschied sich der Stadtrat am 7. Juni 1963 für einen Erweiterungsbau parallel zum Altbau. In einem ersten Bauabschnitt sollte ein neues, freistehendes Schulhaus entstehen, das alle neuzeitlichen pädagogischen Forderungen erfüllte. Die Rohbauarbeiten begannen im Mai 1964; bereits am 11. Januar 1966 konnte der Unterricht im neuen Gebäude aufgenommen werden.

Als charakteristische Gestaltungsmerkmale werden gerühmt: „Zwei Haupteingänge führen zu den beiden Treppenhäusern. Die Schulzimmer haben Doppelbelichtung; Jalousien schützen vor blendender Sonne und lästiger Wärme. Die Möblierung der Zimmer ist modern, formschön und zweckmäßig; alle Zimmer haben Radioanschluss. Die Fachräume sind praktisch eingerichtet und werden auch der kommenden Hauptschule genügen. Eine Sprechanlage im Rektorzimmer ermöglicht die rasche Verständigung mit allen Lehrkräften. Auch eine Zweigstelle der Volksbücherei wurde in das neue Haus aufgenommen.

 

Erneute RAUMNOT: Der lange Weg zum zweiten ERWEITERUNGSBAU (1996)

Die Freude über das Ende der Raumnot durch den Erweiterungsbau hielt nicht lange an. Wegen zunehmender Wohnbebauung, besonders im Norden des Sprengels, aber auch wegen der neuen Hochhäuser am Laubenweg und an der Wolfringstraße verzeichnete allein die Grundschule bereits im Schuljahr 1970/71 fünfzig weitere Neuzugänge. Die erkennbare Zuwachsrate signalisierte das weitere Steigen der Schülerzahlen. In intensiver Kooperation zwischen Eltern, Elternbeirat, Schulleitung und Stadtschulrat wurde durch Eingaben an die Stadt und durch Öffentlichkeitsarbeit zunächst versucht, eine Fortsetzung der Pesta-Erweiterung zu bewirken. Echte Entspannung (endlich nur noch 20 Klassen an der Pesta) ergab sich erst zu Beginn des Schuljahres 1978/79 mit der Ausgestaltung der Seeackerschule zur Grund- und Teilhauptschule. Verbunden damit war eine wichtige Sprengeländerung:

Zum Schulsprengel der heutigen Pestalozzischule gehört seither das Gebiet, welches im Südwesten von der Pegnitz, im Osten von der Stadtgrenze zu Nürnberg und im Norden von der Linie Mauerstra- ße/Reiherstraße zur Alten Reutstraße begrenzt wird (Schüler nördlich dieser Linie gehen an die Seeackerschule). Erst ab dem Schuljahr 1978/79 nahm die Schülerzahl langsam ab, bis auf 15 Klassen im Schuljahr 1985/86. WIEDERKEHR der RAUMNOT Doch mit der Bebauung der Flächen jenseits des Frankenschnellwegs zwischen Alter Reutstraße und Poppenreuther Straße ergab sich ab 1986 wieder ein enormer Anstieg der Schülerzahlen. Die Schule konnte trotz der Erweiterung aus dem Jahre 1966 die ständig wachsenden Schülerzahlen seit 1991 nicht mehr fassen. Immer wieder mussten Klassen im Laufe der Jahre in andere Schulen ausgelagert werden. Drei Klassen an die Seeackerschule (1991), drei Klassen in die Wahlerschule in Nürnberg (1992) und ab 1994 die acht 3.- und 4. Klassen in die ehemalige amerikanische Elementary-School in Atzenhof, was einen täglichen Bustransport von rund 200 Schülern erforderte. Schulleitung, Elternbeirat, Eltern und Lehrerschaft und der speziell für den Erweiterungsbau und die Generalsanierung gegründete Pestalozzi-Förderverein setzten sich mit vielen Gesprächen, Vorschlägen und reger Öffentlichkeitsarbeit für den zweiten Erweiterungsbau der Pestalozzischule ein. Das Raumprogramm für insgesamt 28 Klassen, Neubau einschließlich Doppelturnhalle und Generalinstandsetzung, wurde von der Regierung von Mittelfranken genehmigt. Dieser zweite Erweiterungsbau der „Pesta „konnte nach knapp zweijähriger Bauzeit im Dez.1996 seinen Betrieb aufnehmen. Aus der Generalsanierung wurde bisher auf mehrere Jahre verteilt eine gelungene Außenrenovierung der alten Gebäude und eine noch nicht abgeschlossene Innenrenovierung. Der Bau einer neuen Turnhalle fiel der Finanznot zum Opfer, dafür wurde, entgegen ursprünglicher Absicht, die alte Turnhalle auf den aktuellen Sicherheitsstandard gebracht und in sehr schöner Form renoviert, ohne dass dadurch ihr grundsätzlicher Mangel, die zu geringe Fläche, ausgeglichen werden konnte.

Die historische Turnhalle                                                      Die Turnhalle im heutigen Zustand

Erweiterung und Generalinstandsetzung der PESTALOZZISCHULE Fürth

Die Pestalozzischule wurde um 10 Klassenräume erweitert und mit neuen Verwaltungs- und Lehrerräumen, sowie neuen Fachunterrichtsräumen für Naturlehre, Hauswirtschaft, Werken, Kunsterziehung, Datenverarbeitung und Musik ausgestattet.

Ostflügel und Altbau (zwischen 1966 - 1994)                     Der Neubau schließt die Lücke (seit 1996)

 

Umbau des Ostflügels

Im Bauabschnitt 2.a mussten Unter- und Erdgeschoss des vorhandenen Ostflügels umgebaut werden. Die ehemalige Lehrküche im 2. Obergeschoss wandelte sich zum Klassenzimmer. Im Erdgeschoss ermöglichte der Umbau eines Raumes den Zugang zur Aula und damit eine durchgehende Verbindung der drei Gebäude, zusätzlich entstand ein weiterer Raum für Informatik. Im Keller wurde auf die gleiche Weise eine Verbindung zum Erweiterungsbau erreicht. Zwei neue Werkräume mit einem gemeinsamen Maschinenraum und weiteren Nebenräumen entstanden durch den Umbau des ehemaligen Filmraums und des Naturlehreraums. Um die starken Lärmbelastungen abzumildern, die von der stark befahrenen Autobahn A 73 ausgehen, wurden die teilweise nicht mehr funktionierenden Fenster gegen solche mit erhöhtem Schallschutz ausgetauscht.

 

Instandsetzung des „Altbaus“

Der Bauabschnitt 2.b erfasste bislang zum Teil die Generalinstandsetzung des Hauptgebäudes aus dem Jahre 1906. Durch Umwidmung des ehemaligen Lehrerzimmers, des Rektorats und des Lehrmittelraums wurden dort bereits drei neue Klassenzimmer geschaffen. Die ehemalige Hausmeisterwohnung wurde mit finanzieller Unterstützung durch den Förderverein zu Gruppenräumen für die Ganztagsbetreuung von Schülern umgebaut. Die vorhandenen Toilettenanlagen sind teilweise erneuert. Das Treppenhaus wurde durch den Einbau entsprechender Rauchschutztüranlagen in allen Geschossen gegen die Flure abgetrennt. Weitere Fluchtwege wurden erstellt. Die Fenster der Innenhoffassaden aus den fünfziger Jahren waren nicht mehr wirtschaftlich reparabel und wurden im ursprünglichen Stil erneuert und mit zentral steuerbaren Jalousien ausgestattet. Die übrigen Originalfenster aus der Gründerzeit an der Außenseite der Schule können wieder instandgesetzt werden. Die Bodenbeläge in Klassenzimmern und Fluren sind noch zu erneuern.

Außenbereich: Schulhof mit Spielgeräten                             Außenbereich: Ballspielfeld und Klettertürme

 

Außenbereich

Im Pausenhof wurde der stark beschädigte Asphaltbelag entfernt und durch einen wasserdurchlässigen Pflasterbelag ersetzt. Die vorhandenen Bäume wurden mit Grünzonen ergänzt und die Gesamtfläche in überschaubare Bereiche gegliedert. Die Möblierung mit Sitzbänken und Gymnastikgeräten hebt ebenfalls den Erholungswert des Pausenhofes.Mit knapp 10 Millionen DM wurden die Gesamtkosten von der Regierung von Mittelfranken als kostengünstig gewertet. Sporthalle (geplant) Die dringend benötigten Einrichtungen für den Schulsport sollten in Form einer Doppelsporthalle (2 Hallen mit jeweils 27 x 15 m) mit den entsprechenden Nebenräumen und einer Freisportanlage errichtet werden. Umgesetzt wurde immerhin ein befestigtes Spielfeld für Basket- und Volleyball.

Fazit:

Es bleibt zu hoffen, dass die noch fehlenden Renovierungsschritte, und der Bau der Turnhalle, in den nächsten Jahren realisiert werden. Durch die Weiterentwicklung der früher üblichen Halbtagsschule zur Schule mit vielfältigen Ganztagsangeboten sind neue Raumerfordernisse entstanden, die den Schülern einen echten Lebensraum bieten sollen. Für die Essensversorgung der GTB-Schüler wurden 3 Garderobenräume im Ostflügel zu Küchen umgestaltet; ein kleiner Raum im Dachbereich wurde mit Sponsorenmitteln zum Lernraum für kleine Lerngruppen umgestaltet. Für die Zusammenarbeit mit Klassen der Hallemannschule wurden Klassenräume umgestaltet; die langjährige kooperative Unterrichtung hat dazu geführt, dass die Pestalozzischule als eine der ersten Schulen Bayerns eine sog. Inklusionsschule geworden ist. Die Weiterentwicklung der GTB und der offenen Ganztagsschule zur gebundenen Ganztagsschule erfordert die Realisierung ergänzender Raumkonzeptionen, z. Bsp. den Umbau des bisherigen Mehrzweckraums zu einer Mensa, einem gemeinsamen Speiseraum. Dass sich die Baugeschichte der Pesta wie eine „Unendliche Geschichte“ liest , liegt daran, dass sich die Schule mit der Stadtgesellschaft notwendigerweise kontinuierlich entwickelt hat.

 

Zusammenfassung: Hans Peter Haas